Einheitspreise in Supermärkten, Bahnhöfen und Drogerien schaffen einen versteckten Sozialvertrag, wie einheitliche Krankenkassenprämien. Alle Käufer sollen gleich sein. Die Preise im Alltag entsprachen lange dem geschätzten Wert dessen, was unterschiedliche Käufer im Schnitt zu zahlen bereit waren. Doch Einheitspreise bringen sowohl Gewinner als auch Verlierer hervor. Während einige bereit sind, mehr für etwas zu bezahlen als ausgezeichnet, empfinden andere die Preise bereits als zu teuer. Bei Fixpreisen profitiert der Durchschnittsmenscham meisten.
Im Massenmarkt waren personalisierte Preise bislang technisch unmöglich, da sie das Wissen über die Wertschätzung des Käufers für ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Moment voraussetzten. In diese Wertschätzung könne theoretisch alles einfließen, bis hin zur Wetterlage, wie bei Eis oder Jacken. Der erste Versuch des stationären Handels in Deutschland, das Verbraucherverhalten über individuell berechnete Coupons zu beeinflussen, startete vor über einem Jahr in Berlin. Der Dienstleister SO1 baute für Kaiser’s Tengelmann Schritt für Schritt ein neues Kundenkartensystem auf, die „Extra-Karte“. Ein vorausgegangenes Pilotprojekt des Verbraucherpanels GfK BehaviorScan in Haßloch, diente als Beweis für die Wirksamkeit solcher Gutscheine und die zu Grunde liegenden BigData-Auswertungen.
In ca. 30 Kaiser’s Tengelmann Märkten wird getestet, wie Kunden einkaufen, wenn sie glauben, dafür belohnt zu werden. Sie erhalten gelbe „Extrakarten“, die bei jedem Einkauf gescannt werden müssen, damit dem KartenkontoPunkte gutgeschrieben werden. Das System ist jedoch nicht mit Payback zu vergleichen, da Extrakarten-Besitzerkeinen Namen, kein Geburtsdatum und keine Adresse zu hinterlegen brauchen. Erfasst werden an der Kasse nur Kaufzeit, Produktnummer, Kartennummer und der gezahlte Preis. Extrakarten-Besitzer drucken vor jedem Einkauf an einem Terminal im Markt eine Liste mit dem aktuellen Punktestand und fünf bis acht „persönlichen Angeboten“ aus. Beim Vorzeigen des „Extra Sparscheins“ an der Kasse kosten die jeweiligen Produkte dann 10, 20 oder 30 Prozent weniger als am Regal ausgezeichnet.
Laut Raimund Bau, den jungen Chef und Mitgründer von SO1, ist die Extrakarte eigentlich wie ein physischer Cookie: “Bei uns laufen die Daten aus den Kassen zusammen. Wir können beispielsweise identifizieren, wer ein Pepsikäufer ist, sogar wenn er nie Pepsi bei Kaiser’s gekauft hat.” Diese Identifikation ist allein aus der erfassten Kombination gekaufter Produkte möglich. Jedes Produkt ist ein statistischer Hinweis auf andere Produktvorlieben, so wie Weleda-Shampoo auf Bio-Obst hinweist. “Wenn wir den Cola-Absatz erhöhen wollen, finden wir heraus, ob Du als Pepsi-Liebhaber für Cola ein potenzieller Kunde bist. Ob Du es wiederholt kaufen würdest, wenn Du es einmal ausprobierst. Wie viel wir Dir zahlen müssten, um Dich zum Cola-Kauf zu bringen.”, so Bau. Auf Basis derWahrscheinlichkeiten, die aus Testmärkten bekannt sind, könnten nicht nur Vorlieben errechnet werden, sondern auch die persönliche Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität. Lohnt sich der Kunde für Cola, bietet man ihm an den roten Automaten genau den passenden Preisnachlass für Cola. Das Resultat sind individuelle Preise.
Heute arbeitet SO1 noch mit Bons, bald soll vieles über Apps laufen. Laut Bau ist die absolute Preisdiskriminierungeine weltweite Bewegung, die kaum aufzuhalten ist. Er sagt , dass der Preiswettkampf der einzige Weg ist, den Umsatz zu steigern, da es sich beim Lebensmittelhandel um einen gesättigten Markt handelt. Altbekannte Promotionen über Coupons oder Rabattmarken haben aufgrund der Streuung kaum Effekt und werden in der Regel von Menschen genutzt, die das Produkt sowieso kaufen würden. Die Extrakarte dagegen, so Bau, bringt pro Nutzer Umsatzsteigerungen im mittleren zweistelligen Prozentbereich. Für Bau eine Win-win-win-win-Situation für Kunde, Händler, Produzent und SO1. Mehr zu diesem Thema finden Sie unter zeit.de.
Quellen: zeit.de, so1.net, supermarktblog.com
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